Fremdsprachen
von Prof. Dr. Daniela Elsner, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Der Begriff Fremdsprache bezieht sich auf einen speziellen Spracherwerbskontext – nämlich auf eine Sprache, die üblicherweise im gesteuerten Kontext in entsprechenden Einrichtungen erworben wird. In Abgrenzung dazu bezeichnet man den Spracherwerb, der mit der Geburt beginnt, als Erstspracherwerb – auch dann, wenn das Kind sich in dieser Phase schon zwei oder mehr Sprachen aneignet. Der Begriff der Erstsprache bezieht sich auf die Sprache oder Sprachen, die sich ein Kind in seiner frühen Lebensphase im familiären Kontext aneignet. Der Begriff der Fremdsprache bezieht sich hingegen auf später hinzukommende Sprachen, die üblicherweise im Kontext von schulischem oder außerschulischem Unterricht gelernt werden.
Begriffsabgrenzung: Zweitsprache, Fremdsprache
Erfolgt die Aneignung einer zweiten Sprache nach etwa dem dritten Lebensjahr, spricht man von Zweitspracherwerb. Die Bedingungen hierfür können unterschiedlich sein, der Erwerb auf verschiedenen Wegen geschehen:
Wird die Sprache implizit, also ohne externe Steuerung in einem natürlichen Umfeld (Zuhause, mit Freunden oder im Umfeld) erworben, spricht man von ungesteuertem Zweitspracherwerb. Eignet man sich die zweite Sprache jedoch zudem explizit über bewusstmachende und systematische Verfahren an, wie z.B. im Sprachunterricht, spricht man vom gesteuerten Erwerb und dem Erlernen einer Zweitsprache (Beispiel: Deutsch als Zweitsprache).
Von zentraler Bedeutung für die Sprachlehr- und -lernforschung ist die Unterscheidung zwischen Zweit- und Fremdsprache. Obgleich die erste Fremdsprache für viele Menschen ebenfalls die zweite Sprache ist, die sie erlernen, wird im wissenschaftlichen Diskurs (meist) klar zwischen diesen beiden unterschieden: Spielt die Sprache im Alltag des/der Lernenden eine bedeutende Rolle, z. B. für die tägliche Kommunikation, spricht man von einer Zweitsprache. Wird die Sprache hingegen außerhalb des gewöhnlichen Verwendungsbereichs erlernt, weil sie beispielsweise nicht die dominante Umgebungssprache ist, spricht man von einer Fremdsprache (z.B. Englisch lernen in Deutschland). Der sprachliche Input beim Lernen einer Fremdsprache ist somit tendenziell auf das sprachliche Material begrenzt, dem man durch den Unterricht begegnet.
Bedeutung von Fremdsprachen in Europa
In der Europäischen Union werden aktuell 24 Sprachen als Amts- und Arbeitssprachen anerkannt (vgl. Eurostat 2017). Englisch ist seit dem Zweiten Weltkrieg die meistbenutzte Arbeitssprache auf europäischer Ebene und die am häufigsten erlernte schulische Fremdsprache. Die EU plädiert allerdings schon lange dafür, dass die Menschen in den Mitgliedsstaaten nicht nur Englisch als Fremdsprache lernen, sondern mindestens eine zweite Fremdsprache. In der „Europäischen Mehrsprachigkeitspolitik“ wird ein Modell der Dreisprachigkeit propagiert: Neben der Sprache des eigenen Landes (oder der eigenen Region) sollen alle Schülerinnen und Schüler Englisch und eine weitere europäische Sprache lernen (Europäische Kommission o.J.).
Dies führt Sprachlehr- und -lernforscherinnen und -forscher immer wieder zur Frage, unter welchen Bedingungen sich Fremdsprachen so effektiv wie möglich erlernen lassen.
Fremdsprachenunterricht in Deutschland und Europa
In Deutschland beginnt der Unterricht in der ersten Fremdsprache flächendeckend in der Grundschule mit zwei Schulstunden, in den meisten Bundesländern ab Klasse 3, in wenigen bereits ab der ersten Klasse. In der Haupt- und Realschule ist die Belegung einer Fremdsprache bis Klasse 9 Pflicht, in der Realschule kann freiwillig eine zweite Fremdsprache ab Klasse 7 gewählt werden. Am Gymnasium ist die Wahl einer zweiten Fremdsprache obligatorisch, eine dritte Sprache möglich. Mindestens eine Fremdsprache muss bis zum Abitur weitergeführt werden (vgl. Elsner 2018).
In Deutschland lernten im Schuljahr 2017/2018 an allgemeinbildenden Schulen die meisten Schülerinnen und Schüler mit großem Abstand Englisch (ca. 7 Mio.). Ca. 1,4 Mio. Schülerinnen und Schüler lernten Französisch, ca. 600.000 Latein, ca. 450.000 Spanisch (Tendenz steigend) und ca. 100.000 Schülerinnen und Schüler lernten Russisch (Stat. Bundesamt 2018).
Europaweit steht als übergeordnetes Ziel des Fremdsprachenunterrichts die Ausbildung kommunikativer, interkultureller und methodischer Kompetenzen. Die curricularen Richtlinien der europäischen Länder orientieren sich dabei hinsichtlich der zu erreichenden Sprachkompetenzniveaus und der methodischen Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER), einem vom Europarat (2001) herausgegebenen Orientierungssystem mit Empfehlungen zum Sprachen lehren und lernen sowie zur Beurteilung der Sprachkompetenz (KOM 2001).
Fremdsprachlehr- und lernmethoden
Von den Faktoren, die das Lernen einer Fremdsprache bedingen bzw. begünstigen, sind folgende als besonders förderlich hervorzuheben (z. B. Lightbown und Spada 2013):
- Der/die Lernende benötigt ausreichend Input in der zu erlernenden Sprache.
- Dieser Input muss auf den sprachlichen und kognitiven Entwicklungsstand des/der Lernenden abgestimmt sein.
- Der/die Lernende braucht ausreichend Möglichkeiten zur eigenen Sprachproduktion durch Interaktion mit anderen Sprecherinnen und Sprechern.
Darüber hinaus wirken zahlreiche weitere lernerexterne Faktoren wie z. B. eine positive Lernatmosphäre, regelmäßiges Feedback, Wiederholungen und abwechslungsreiche Sprachlehr- und -lernmethoden lernförderlich. Ebenso beeinflussen lernerinterne Faktoren wie Motivation oder Sprachbegabung den Fremdsprachenlernprozess (ebd.).
Die methodische Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts hat sich, basierend auf den Erkenntnissen der Sprachlehr- und -lernforschung bzw. der sprachdidaktischen Forschung und daraus abgeleiteten Theorien und Modellen der Fremdsprachendidaktik, stetig weiterentwickelt. Heutzutage zählt, neben Handlungs- und Lernerorientierung, auch Aufgabenorientierung zu den wichtigsten Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts (vgl. Elsner 2018). Damit ist gemeint, dass sprachliche Fertigkeiten (Sprechen, Hörverstehen, Schreiben, Lesen und Sprachmittlung) nicht mehr isoliert voneinander geübt, sondern im Rahmen realitätsnaher und inhaltlich bedeutsamer Aktivitäten verbindend gefördert werden sollen. Besondere Aufmerksamkeit hat im letzten Jahrzehnt der bilinguale Unterrichtsansatz erfahren, bei welchem die Fremdsprache nicht zentraler Lerngegenstand ist, sondern als Unterrichts- und Arbeitssprache in bis zu drei Sachfächern verwendet wird.
Fremdsprachenforschung und Praxisfragen
In der auf fremdsprachliches Lernen bezogenen Forschung werden empirische Untersuchungen zum Sprachenlernen und -lehren in diversen Kontexten (von der Grundschulklasse über den VHS Kurs bis hin zu Chatrooms) durchgeführt. Im Zentrum der Forschung steht die Frage, welche Faktoren einen Einfluss darauf haben, ob sich fremdsprachliche Kenntnisse der Lernenden heranbilden bzw. weiterentwickeln. Die Studien richten sich u. a. auf personenbezogene Faktoren, wie z.B. Motivation, auf vorhandene Kompetenzen oder persönliche Merkmale wie Begabung oder auf Aspekte der Lehr- / Lernsituation, etwa zum Einsatz von Lehr- / Lernmethoden oder von von Medien, zum Lernklima etc. Übergreifendes Ziel der Forschung ist es, die interaktionellen, kognitiven und emotionalen Prozesse sowie die institutionellen Rahmenbedingungen, die mit dem Fremdsprachenlernen und -lehren verbunden sind, genauer zu verstehen, um so den Fremdsprachenunterricht weiterzuentwickeln.
In jüngster Zeit mehren sich Forschungsarbeiten, die sich mit dem Einsatz neuer Technologien im Zusammenhang mit fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozessen auseinandersetzen sowie Arbeiten, die sich mit den Herausforderungen und Chancen zunehmender sprachlicher Heterogenität und Diversität im Kontext des Fremdsprachenunterrichts befassen. Darüber hinaus entstehen vermehrt Arbeiten, die beide Aspekte miteinander verknüpfen (u.a. Buendgens-Kosten und Elsner 2018).
Weiterlesen:
Viebrock, Britta, & Surkamp„Carola (2018): Teaching English as a Foreign Language. Stuttgart: Metzler.
Burwitz-Melzer, E., Mehlhorn, G., Riemer, C., Bauch, K.-R., & Krumm, H.-J. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 6. überarb. Aufl. Tübingen: UTB.
Hallett’s Language Learning Log – Der Blog fürs Sprachenlernen.
Zitierte Literatur:
Buendgens-Kosten, J., & Elsner, D. (Hrsg.). (2018). Multilingual Computer Assisted Language Learning. Bristol: Multilingual Matters.
Elsner, D. (2018). Institutionalised Foreign Language Learning – Teaching English at Different Levels. In C. Surkamp & B. Viebrock (Hrsg.), Teaching English as a Foreign Language (S. 17–37). Stuttgart: Metzler.
KOM – Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2005). Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit (Word Dokument). Brüssel.
Lightbown, P., & Spada, N. (2013). How Languages are Learned. Oxford: Oxford University Press.
Lernziel im Englischunterricht. Limburg: Frankonius-Verlag.
Statistisches Bundesamt (2018). Schüler/innen mit fremdsprachlichem Unterricht.
Dieser Text darf, unter Angabe der Quelle gern zitiert werden: Elsner, Daniela (2020) Fremdsprachen. Hamburg: Koordinierungsstelle Mehrsprachigkeit und sprachliche Bildung – KoMBi (Grundwissen sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit).