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Inszenierte Mehrsprachigkeit in drama- und theaterpädagogischen Settings im Regel- und Projektunterricht
Projektvorstellung
Das Projekt untersuchte den Einbezug von Mehrsprachigkeit in spielerischen und dramapädagogischen Szenarien im Projekt- und im Regelunterricht der Sekundarstufe I. Das Forschungsinteresse lag im Einzelnen auf
- der konkreten Umsetzung, d.h. auf dem sprachlichen Verhalten und den interaktiven Aushandlungen in Bezug auf Aufgabenverteilung, Verständnissicherung, Selbstpräsentation und Feedback und
- den Perspektiven der Beteiligten: Selbst- und Fremdwahrnehmung von Sprachen und Kulturalität sowie Indikatoren für Lernprozesse und Veränderungen in den Wahrnehmungen und Beziehungen der Beteiligten.
Ausgelotet werden sollten hierbei Möglichkeiten und Grenzen der Aufnahme und Inszenierung von Mehrsprachigkeit in spielerischen Szenarien und theaterpädagogischen Ansätzen sowie die Formulierung von Gelingensbedingungen für den unterrichtlichen Einbezug von Herkunftssprachen.
Methodisches Vorgehen
Beobachtungsmöglichkeiten wurden über die Durchführung mehrsprachiger spielerischer Szenarien im Projekt- und Regelunterricht hergestellt. Die Einheiten integrierten szenische Spielformen und waren performativ orientiert, d.h. der tatsächliche Gebrauch von Sprache stand im Fokus. Ebenso zielten die Übungen auf ganzheitliche Sprachbildung sowie das Anbahnen von language awareness (Sprachbewusstheit) über die Auseinandersetzung mit der vorhandenen Sprachenvielfalt der Schülerschaft ab. Um das Interaktionsverhalten zu analysieren, wurden die Situationen videografisch dokumentiert und analysiert. Um die Wahrnehmung und Perspektiven der beteiligten SuS sowie LuL zu erfassen, wurden mündliche Befragungen durchgeführt sowie einzelne Videosequenzen kommentiert („Stimulated Recall“). Komplementiert wurden die Untersuchungen durch Sprachstandstests (C-Test, Profilanalyse) und eine quantitative Fragebogenerhebung zu sozialen Hintergrunddaten, zur Sprachbiographie sowie zur Selbsteinschätzung mündlicher Kompetenz.
Ergebnisse
Die Daten zeigen, dass die intensive Kommunikation während der Projektwoche ein verstärktes Vertrauen in die eigenen – sprachlichen – Fähigkeiten förderte. Die Schülerinnen und Schüler bewerteten das Kennenlernen der Herkunftssprachen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler durch die mehrsprachigen Übungen positiv, gleichzeitig zeigten sie eine ambivalente Haltung hinsichtlich des Einsatzes der eigenen Herkunftssprache. Als Schwierigkeiten werden in diesem Zusammenhang häufig Hemmungen oder Ängste genannt, die auf negative Erfahrungen mit der Verwendung der Herkunftssprache zurückzuführen waren. Andererseits beschrieben viele einen Prozess des Entdeckens, der durch den Kontakt mit den Sprachen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zustande kam. Die Analysen zeigten, dass „freiere Settings“ wie der Projektunterricht durch eine freiere Situierung im Raum mehr Möglichkeiten zum interaktiven Austausch schaffen können. Zudem bietet der Projektunterricht mehr Offenheit im Hinblick auf die Thematisierung von Sprachen und Identitäten/Zugehörigkeiten und mehr Gestaltungsmöglichkeiten für emotionale und soziale Aspekte.
Implikationen für die Praxis
Lehrende sollten ermutigt und befähigt werden, im Sinne eines sprachbewussten Unterrichts Herkunftssprachen produktiv in den Unterricht einzubinden. Insbesondere inszenierte Formen, die auf den Prinzipien der Dramapädagogik basieren, können hierbei einen bedeutenden Beitrag leisten, indem sie durch freie Gestaltung und vielfältige Ausdrucksformen zum einen die performative Kompetenz der SuS anregen, d.h. den Mut, überhaupt Herkunftssprachen zu benutzen, und zum anderen kreativen Raum lassen, auch sprachbiographische Elemente einfließen zu lassen. Gleichzeit verdeutlichen die Befunde, dass ein großer Bedarf an Fortbildungen besteht, Lehrende für den Umgang mit Herkunftssprachen sicherer machen und für eine kompetente Auseinandersetzung mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen vorzubereiten. Lehrkräfte sollten zudem motiviert werden, stärker auf die Sprachbiographie ihrer Schülerinnen und Schüler einzugehen, um so mehr über die vorhandene Lebendigkeit der (teils verdeckten) Sprachen in ihrer Klasse zu erfahren, ohne dabei Gefahr zu laufen, zu stark zu kulturalisieren oder von außen Zuschreibungen vorzunehmen.
Publikationen aus dem Projekt
Rost-Roth, M., Bülow, A., Mengele, H. & Wlossek, I. (2015). Inszenierte Mehrsprachigkeit in drama- und theaterpädagogischen Settings im Regel- und Projektunterricht. Empirische Analysen zu sprachlich und kulturell heterogenen Kontexten unter Berücksichtigung von Herkunftssprachen und Deutsch als Zweitsprache. Das Forschungsdesign. In H. Rösch & J. Webersik (Hrsg.) Deutsch als Zweitsprache – Erwerb und Didaktik Beiträge aus dem 10.Workshop „Kinder mit Migrationshintergrund“. Stuttgart: Klett, S. 249 –263.
Mengele, H., Wlossek, I. & Bülow, A. (2016). Sprachenvielfalt dramapädagogisch inszenieren – Umsetzungsmöglichkeiten in heterogenen Schülergruppen der Sekundarstufe. In A. Betz, C. Schuttkowski, L. Stark & A. Wilms (Hrsg.) Sprache durch Dramapädagogik handelnd erfahren. Ansätze für den Sprachunterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag, S. 99 –118.
Wlossek, I., & Rost-Roth, M. (2016). Sprache/n als Ressource im Klassenzimmer? Erfahrungen und Einschätzungen von Lehrkräften in Regel- und Übergangsklassen. In V. Schurt, W. Waburg, V. Mehringer & J. Strasser (Hrsg.) Heterogenität in Bildung und Sozialisation. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 105 –124.