MEG-Skore II
Sprachliche und kognitive Ressourcen der Mehrsprachigkeit im Englischerwerb in der Grundschule
Projektvorstellung
MEG-SKoRe II untersucht in einer Interventionsstudie,
- wie Erfolgsfaktoren der Mehrsprachigkeit im Englischunterricht der Primarstufe didaktisch genutzt werden können und
- ob der Einbezug von mehrsprachigkeitssensiblen didaktischen Methoden zu messbaren Kompetenzfortschritten bei mehrsprachigen und monolingual deutschsprachigen Schülerinnen und Schülern führt.
Angelehnt an das weit verbreitete Lehrwerk Playway (Becker, Gerngross, & Puchta, 2013) entwickelten wir Lerneinheiten, in denen Sprachbewusstheit und Sprachbewusstsein, z. B. durch den Einbezug von Sprachvergleichen mit Herkunftssprachen und dem Deutschen, gezielt thematisiert und gefördert werden. Diese Lerneinheiten wurden in einer didaktischen Interventionsstudie eingesetzt und auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Methodisches Vorgehen
In einer didaktischen Interventionsstudie wurden Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse für ca. 6 Monate in Interventions- und Vergleichsgruppen unterrichtet. In der Interventionsgruppe wurden in den Lerneinheiten die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler sowie Sprachbewusstheitsübungen gezielt in den Englischunterricht einbezogen. Insgesamt waren so ca. 20% des Englischunterrichts dem Vergleich des Englischen mit anderen Sprachen gewidmet. Die Vergleichsgruppe erhielt regulären Englischunterricht. An drei Zeitpunkten (vor Beginn der didaktischen Intervention, nach deren Ende und kurz vor Schuljahresende) fanden Messungen der globalen Englischkompetenz (passiver und aktiver Wortschatz, passive Grammatikkompetenz) sowie der metalinguistischen Bewusstheit statt. Darüber hinaus wurden Daten zum Sprachstand in der L1 und L2 sowie kognitiv-soziale Kontrollfaktoren erhoben. Zusätzlich wurden zu Beginn und zum Ende zweier mehrwöchiger Lerneinheiten direkte Effekte der didaktischen Intervention auf spezifische grammatische Phänomene gemessen. Neben den sprachlichen Kompetenzen wurden auch die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zum Englischunterricht untersucht und die Lernenden der Interventionsgruppe nach Abschluss der didaktischen Intervention zu ihren Unterrichtseindrücken befragt.
Die beschriebene didaktische Intervention sowie die zugehörigen Datenerhebungen wurden mit zwei Kohorten von vierten Klassen (Schuljahr 2018/2019 sowie 2019/2020) durchgeführt. Insgesamt nahmen in der ersten Kohorte (Schuljahr 2018/2019) 128 Schülerinnen und Schüler an 4 Regelgrundschulen in Niedersachsen an der Datenerhebung teil. In der zweiten Kohorte (Schuljahr 2019/2020) waren es 141 Schülerinnen und Schüler. Über beide Kohorten waren 127 Probandinnen und Probanden einsprachig und 142 mehrsprachig, wobei die Gruppe mehrsprachiger Lernender sehr heterogen zusammengesetzt war.
Ergebnisse
Ein Ziel des Projektes war es, die didaktische Intervention auf ihre Effekte hin zu erforschen. Erste Analysen der allgemeinen sprachlichen Tests zeigen, dass es keine Unterschiede zwischen der Interventions- und Vergleichsgruppe in der Entwicklung von Englischkompetenzen gibt. Das bedeutet, dass der Einbezug von Mehrsprachigkeit und der Fokus auf Sprachbewusstheit keinen Einfluss auf die globalen Englischkompetenzen der Kinder haben. Schaut man sich jedoch die Ergebnisse einzelner spezifischer sprachlicher Phänomene an, lässt sich ein stärkerer Zuwachs bei der Interventionsgruppe erkennen. Dies deutet darauf hin, dass der Einbezug anderer Sprachen den Schülerinnen und Schülern für bestimmte sprachliche Phänomene, die sich zwischen Englisch und anderen Sprachen unterscheiden, eine Hilfe beim Erwerb des Englischen sein kann. Insgesamt belegen die Gruppenvergleiche aber auch, dass die Schülerinnen und Schüler in der Interventionsgruppe keine Nachteile gegenüber denjenigen in der Vergleichsgruppe haben und sich die Englischkompetenzen parallel entwickeln. Angesichts des Zeitaufwandes, den die mehrsprachigen Unterrichtseinheiten bedeuteten, heißt das, dass der Einbezug anderer Sprachen nicht zu Lasten des Fremdsprachenlernens geht.
Die Ergebnisse der Befragung zu den Unterrichtseindrücken zeigen, dass die Mehrheit der Lernenden dem sprachvergleichenden Arbeiten positiv gegenübersteht. Die Lernenden schätzen vor allem die Möglichkeit, einen Einblick in andere Sprachen zu bekommen, insbesondere in die Sprachen ihrer Klassenkameradinnen und Klassenkameraden. Darüber hinaus sehen einige Schülerinnen und Schüler lernerleichternde Effekte in der Öffnung des Englischunterrichts für mehrere Sprachen. Gleichwohl äußern sich einige Lernende durchaus kritisch. Sie sehen keinen Platz für andere Sprachen im Englischunterricht und fühlen sich durch Sprachvergleiche eher verwirrt. Es zeigt sich, dass der Einsatz von mehrsprachigkeitsdidaktischen Elementen nicht von allen Schülerinnen und Schülern als vorteilhaft wahrgenommen wird. Es ist also wichtig, die Ziele der Integration mehrsprachiger Elemente in den Fremdsprachenunterricht für die Schülerinnen und Schüler transparenter zu machen und Maßnahmen zur Förderung von Mehrsprachigkeit auf die jeweiligen Gruppen sowie Schülerinnen und Schüler abzustimmen.
Implikationen für die Praxis
Die Ergebnisse zeigen, dass mit einfachen Übungen die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler in den Fremdsprachenunterricht integriert werden können. Dafür muss man als Lehrkraft keine Kenntnisse in den jeweiligen Herkunftssprachen besitzen. Auf freiwilliger Basis steuern die Schülerinnen und Schüler Beispiele bei und können somit in ihrer mehrsprachigen Identitätsentwicklung gestärkt werden. Darüber hinaus lernen die anderen Schülerinnen und Schüler etwas über die Sprachen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler wodurch alle den wertschätzenden Umgang mit Sprachenvielfalt erleben. Zentral ist, alle Lernenden zum Experimentieren mit Sprache einzuladen. Als Majoritätssprache ist das Deutsche dabei eine mögliche Option, auf die zurückgegriffen werden kann; es bekommt jedoch keinen Sonderstatus. Es hat sich gezeigt, dass die meisten Schülerinnen und Schüler gerne mit Sprache experimentieren und dass ihnen Sprachvergleiche Freude bereiten. Da Ausblicke auf andere Sprachen aber auch irritierend auf einige Lernenden wirken können, ist es wichtig, dass die Aktivitäten und Aufgaben von der Lehrkraft gut begleitet werden. Ebenso wie die Schülerinnen und Schüler müssen sich auch Lehrkräfte für ein sprachenvergleichendes Arbeiten öffnen und die Begeisterung am Umgang mit Sprache(n) selbst vorleben.
Publikationen aus dem Projekt
Hopp, H., Jakisch, J., Sturm, S. , Becker, C. & Thoma, D. (2019). Integrating multilingualism into the early foreign language classroom: Empirical and teaching perspectives. In International Multilingual Research Journal, 31(1), S. 1–17. https://doi.org/10.1080/19313152.2019.1669519
Jakisch, J. & Sturm, S. (2019). Do you know this word in another language?: Mehrsprachigkeit im Englischunterricht der Grundschule nutzen. In Grundschule Englisch, 69(4), S. 30–33.
Hopp, H. & Jakisch, J. (2020). Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht. In I. Gogolin, A. Hansen, S. McMonagle & D. Rauch (Hrsg.) Handbuch Mehrsprachigkeit und Bildung. Wiesbaden: Springer VS.