meRLe
Förderung der Deutsch-Lesekompetenz durch mehrsprachigkeitssensibles Reziprokes Lehren im Grundschulunterricht
Projektvorstellung
Ziel des Projektes ist es, die Deutsch-Lesekompetenz von Grundschulkindern zu fördern und dabei migrationsbedingte Mehrsprachigkeit in den Klassen zu berücksichtigen. Dabei sollen neue Erkenntnisse dazu gewonnen, wie mehrsprachigkeitssensibles „Reziprokes Lehren“ von Lehrkräften im Grundschulunterricht eingesetzt werden kann und welche Wirkungen sich nachweisen lassen. Beim Reziproken Lehren arbeiten Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen zusammen und üben hierbei Lese- und Lernstrategien ein. Zunächst instruiert und modelliert die Lehrkraft die Strategien und unterstützt die Schülerinnen und Schüler bei der Anwendung. Anschließend üben diese gemeinsam die Strategien weiter ein. „Reziprok“ heißt, dass sie sich beim Bearbeiten der Aufgaben und beim Geben von Hilfestellungen abwechseln. Das Besondere im Projekt meRLe ist, dass die Schülerinnen und Schüler während des Lehrens und Lernens alle Sprachen nutzen dürfen, die ihnen beim Erlernen und Anwenden der Strategien helfen.
Methodisches Vorgehen
Durchgeführt wurde eine Interventionsstudie an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Hessen (HE). Die Lehrkräfte aus NRW starteten (Treatment-Gruppe), während die Lehrkräfte aus HE ihren regulären Unterricht fortsetzen. Erst nach Abschluss der NRW-Lehrkräfte führten die HE-Lehrkräfte das Projekt durch (Warte-Kontrollgruppe). Zunächst nahmen die Lehrkräfte an Workshops zu Prinzipien des Reziproken Lehrens und eines mehrsprachigkeitssensiblen Unterrichts teil. Diese beiden Methoden waren in eine Unterrichtsreihe (12 Stunden à 45 Minuten) eingebettet, in die der Hauptcharakter „Merle“ um die Welt reist und Abenteuer erlebt, die in Deutsch-Lesetexten auf unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus festgehalten waren. Anschließend setzten die Lehrkräfte die Reihe in ihrem Deutschunterricht in der vierten Jahrgangsstufe ein. Vor und nach der Intervention fanden in beiden Interventionsgruppen begleitende Befragungen (z.B. zur Lesefreude, Selbstwirksamkeit und zur Unterrichtswahrnehmung) und Testungen zur Lesekompetenz statt. Während der Intervention wurde in jeder Klasse eine Unterrichtsstunde videographiert oder beobachtet.
Ergebnisse
Die Lehrkräfte bewerteten die Unterrichtsreise insgesamt als gut gelungen und die Inhalte in den Klassen als gut implementierbar. Trotz zahlreicher mehrsprachigkeitsanregender Impulse wurde die Unterrichtsreihe aber eher zur Förderung des sozialen Lernens und der Lesekompetenz als zur Sensibilisierung für Mehrsprachigkeit und den Einbezug von Herkunftssprachen wahrgenommen. Davon unabhängig lässt sich auf Basis der Befragungen von Schülerinnen und Schülern im Projekt zeigen, dass die Befürchtungen zu mehrsprachigen Interaktionen im Unterricht empirisch nicht zutreffen. Im Gegenteil: Die Unterrichtsreihe ging mit einem besseren Klassenklima und einer besseren Klassenführung einher – dies galt sowohl für Schülerinnen und Schüler, die nur Deutsch gesprochen hatten als auch für Schülerinnen und Schüler, die mehrere Sprachen für das Lehren und Lernen nutzten.
Implikationen für die Praxis
Die im Projekt entwickelten Materialien „Merles Reise um die Welt“ stellen eine auf Basis evidenzorientierter Methoden entwickeltes methodisch-didaktisches Konzept dar, das eine vollständig ausgearbeitete Unterrichtsreihe mit umfangreichem Material zur Anregung von Mehrsprachigkeit enthält und sich gut in die Grundschulpraxis integrieren lässt. Die bislang einzigartige Kombination aus Lese- und Lernstrategien mit mehrsprachigkeitssensiblen Elementen bieten einen praxistauglichen Baustein zur unterrichtsintegrierten Förderung aller Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit.