MIKS
Mehrsprachigkeit als Handlungsfeld interkultureller Schulentwicklung- Eine Interventionsstudie in Grundschulen
Projektvorstellung
Mehrsprachigkeit ist eine Ausgangsbedingung des Handelns in der Schule. Die Vermittlung von Deutsch als Zweit- und Bildungssprache ist dabei eine wichtige Aufgabe. Darüber hinaus sind alle weiteren Sprachen, die die Kinder mit in die Schule bringen, eine Ressource, die für das Lernen genutzt werden kann. Wenn Kinder angeregt werden, ihre Familiensprachen in den Unterricht einzubringen, kann das für alle Beteiligten eine Bereicherung sein. Dementsprechend wurde im MIKS-Projekt eine Maßnahme zur Professionalisierung und Schulentwicklung zur Integration von Mehrsprachigkeit in den Unterricht entwickelt, erprobt und wissenschaftlich untersucht. Die Forschungsfrage lautete: Wie können Grundschulkollegien erfolgreich dabei unterstützt werden, die in der eigenen Schule vorhandene Mehrsprachigkeit als Ressource wahrzunehmen und für sprachliche Bildung und schulisches Lernen produktiv zu nutzen?
Die Maßnahme wurde in drei Grundschulen über einen Zeitraum von 1,5 Schuljahren durchgeführt. Sie umfasste Wissensvermittlung (psycholinguistische und soziolinguistische Grundlagen), Erprobungsphasen im Unterricht (Umsetzung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze durch die Jahrgangsteams) und die angeleitete Reflexion von Erfahrungen und Überzeugungen in den beteiligten Kollegien. Die Grundschulkollegien wurden dabei unterstützt, konstruktive Ansätze zum Umgang mit Mehrsprachigkeit in die regulären Abläufe der eigenen Schule zu integrieren.
Methodisches Vorgehen
In den drei Grundschulen wurden Interviews mit Schulleitungen und Lehrkräften durchgeführt, und es fanden Unterrichtsbeobachtungen statt. Die schulinternen Fortbildungsveranstaltungen und Reflexionstage wurden protokolliert. Um die Wirkungen der Maßnahme zu erfassen, wurden Fragebogenerhebungen vor Beginn und nach Abschluss der Intervention durchgeführt. Befragt wurden jeweils die Kollegien in den drei Projektschulen und in drei Vergleichsschulen. Gegenstand der Befragung waren Wissen, Überzeugungen und Handlungsstrategien im Bereich sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit.
Ergebnisse
Innovation findet am ehesten dort statt, wo alle Beteiligten neue und gute Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit in der Schule und im Unterricht machen. Diese Erfahrungen wurden in Praxisvorhaben im Rahmen des Projektes gewonnen, die die Kollegien selbst entwickelt und im Unterricht erprobt haben, z.B. mehrsprachige Beschriftungen im Klassenzimmer und Schulgebäude, mehrsprachige Wortsammlungen oder Sprachvergleiche. Darüber hinaus konnten weitere Qualitätsmerkmale zur erfolgreichen Durchführung eines Professionalisierungs- und Schulentwicklungskonzepts zum Einbezug migrationsbedingter Mehrsprachigkeit in die Schule und den Unterricht herausgearbeitet werden:
- Die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte können die Auswirkungen mehrsprachiger Sozialisation auf die sprachliche, kognitive und sozioemotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus psycho- und soziolinguistischen Perspektiven nachvollziehen.
- Die Arbeit an einem schulischen Gesamtsprachenkonzept führt verschiedene Bereiche sprachlicher Bildung zusammen: Mehrsprachigkeitsdidaktik, Vermittlung von Deutsch als Zweit- und Bildungssprache, Lese- und Schreibunterricht, Herkunftssprachenunterricht, Fremdsprachen.
- Strategien der Schul- und Unterrichtsentwicklung ermöglichen die Institutionalisierung langfristiger Vorhaben zum Einbezug von Mehrsprachigkeit in der Schule und im Unterricht.
Implikationen für die Praxis
Schon kleine Schritte der Schul- und Unterrichtsentwicklung haben in den beteiligten Grundschulen neue praktische Erfahrungen ermöglicht. Die Kollegien haben die Sprachen der Familien gemeinsam mit den Kindern und Eltern in den Räumen der Schulen sichtbar und hörbar gemacht. Die Lehrkräfte haben neue Handlungsansätze im Unterricht erprobt und dabei Sprachen berücksichtigt, die sie selbst nicht verstehen. Die Selbstwirksamkeitserwartungen der Lehrkräfte im Handlungsfeld Mehrsprachigkeit haben sich in den Projektschulen deutlich erhöht. Das heißt, die Lehrkräfte trauten sich im Anschluss an die Intervention einen konstruktiven Umgang mit den Sprachen der Kinder zu.
Publikationen
Dlugaj, J., Fürstenau, S. (2019). Does the use of migrant languages in German primary schools transform language oders? Findings from ethnographic classroom investigations. In Ethnography and Education. https://doi.org/10.1080/17457823.2019.1582348
Fürstenau, S. (2017). Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit als Gegenstand der Grundschulforschung. In Zeitschrift für Grundschulforschung, Heft 2/2017, S. 9-22.
Fürstenau, S. (2017). Unterrichtsentwicklung in Zeiten der Neuzuwanderung. In N. McElvany, H-G. Holtappels, A. Jungermann (Hrsg.) Ankommen in den Schulen - Chancen und Herausforderungen bei der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung. Münster, New York: Waxmann. S. 41-56.
Fürstenau, S. (2016). Multilingualism and school development in transnational educational spaces. Insights from an intervention study at German elementary schools. In A. Küppers u.a. (Hrsg.) Bildung in transnationalen Räumen. Wiesbaden, S. 71-89.
Fürstenau, S. (2016). Da kann ein Kind so viele Sprachen, und ich kann aber nur Deutsch. Lehrerinnen und Lehrer denken über die Sprachportraits der Kinder nach. In Die Grundschulzeitschrift, Nr. 294, S. 39-41.
Fürstenau, S. (2016). Mehrsprachigkeit im Unterricht. Warum sprachliche Vielfalt eine Bereicherung ist, und wie eine Schule sich darauf einstellen kann. In Die Grundschulzeitschrift, Nr. 294, S. 29-31.
Fürstenau S. & Niedrig, H. (2018). Unterricht mit neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern. Wie Praktiken der Mehrsprachigkeit für das Lernen genutzt werden können. In N. Dewitz, H. Terhart & M. Massumi (Hrsg.) Neuzuwanderung und Bildung. Eine interdisziplinäre Perspektive auf Übergänge in das deutsche Bildungssystem. Weinheim: Beltz. S. 214-230.
Huxel, K. (2019). Der Einbezug von Mehrsprachigkeit als Teil einer diskriminierungskritischen, diversitätssensiblen Schulentwicklung. In Zeitschrift für Diversitätsforschung und -management. Themenschwerpunkt: Diversitäts- und Antidiskriminierungskonzepte im Feld von Schule und Migration - Erfordernisse, Spannungen und Widersprüche, Heft 1/2019, S. 68-80.
Huxel, K. (2018). Lehrersein in der Migrationsgesellschaft. Professionalisierung in einem widersprüchlichen Feld. In Zeitschrift für interpretative Schul- und Unterrichtsforschung 7, Heft 1/2018, S. 109-121.
Huxel, K. (2016). Mit Kindern Sprache(n) reflektieren. In Die Grundschulzeitschrift, Nr. 294, S. 48-50.
Huxel, K. (2016). "...die Sprachen, die tauchen jetzt einfach öfter auf im Unterricht." Mehrsprachigkeit in der Grundschule - Erfahrungen aus einem Schulentwicklungsprojekt. In Die Deutsche Schule, 13, S. 177-188.