SchriFT
Schreiben im Fachunterricht der Sekundarstufe I unter Einbeziehung des Türkischen
Projektvorstellung
Textsortenbasiertes Schreiben im Fach (wie z. B. das Verfassen eines Versuchsprotokolls) ist ein zentraler Bestandteil des sprachsensiblen Unterrichts, da durch das Schreiben Fachinhalte strukturiert und nachhaltiger bearbeitet werden können. Ein Ziel des SchriFT Projektes ist es Zusammenhänge von fachsprachlicher und fachlicher Textsortenkompetenz und fachlichen Fähigkeiten, in den am Projekt beteiligten Fächern Physik, Technik, Geschichte und Politik genauer zu untersuchen. Ein weiteres Ziel betrifft die Analyse einer koordinierten Förderung von fachspezifischer Literalität im Fach- und Herkunftsprachunterricht. Die Fragestellung lautet, ob die Aneignung einer fachrelevanten Literalität bei mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern durch den koordinierten Einbezug von sprachlichen Ressourcen in der Herkunftssprache Türkisch unterstützt werden kann.
Das SchriFT Projekt verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, es sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen DaZ, gesellschafts- und naturwissenschaftliche Fachdidaktik und der Turkistik beteiligt. Diese fachübergreifende Kooperation ermöglicht die Überprüfung fachspezifischer und fachübergreifender, vernetzter Sprachbildungskonzepte.
Methodisches Vorgehen
Im Projekt wurden Daten von 1.718 Schülerinnen und Schülern aus den Jahrgangsstufen 7 und 8 an Gesamtschulen (davon 360 aus dem Herkunftssprachenunterricht Türkisch) zu den folgenden Parametern erhoben: fachliche und sprachliche Textsortenfähigkeit sowie Fachwissen in den Fächern Technik, Geschichte, Physik und Politik; bildungssprachliche Textsortenfähigkeit und allgemeinsprachliche Fähigkeiten im Deutschen und Türkischen sowie sozio-ökonomische, sprachliche und demographische Hintergrunddaten.
Im quantitativen Teil der Studie wurde untersucht, welche Zusammenhänge zwischen sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten bestehen. Eine leitende Frage war, ob Schülerinnen und Schüler, die sprachlich ein höheres Niveau aufweisen, auch fachlich höhere Kompetenzen zeigen. Der Fokus lag dabei auf sprachlich-kognitiven Textmerkmalen, der Adressatenorientierung und Kohärenzherstellung (Roll et al., 2019, S. 51-127).
Im qualitativen Teil wurden eine koordinierte, textsortenspezifische Schreibförderung im Fachunterricht (Geschichte, Physik, Politik und Technik) und im Herkunftssprachlichen Unterricht (HSU) durchgeführt, die die Veranschaulichung und Einübung der sprachlichen und textuellen Besonderheiten der Textsorten umfasste. Die Förderung im HSU ging den Förderungen in den Fächern zeitlich voraus, um beobachten zu können, ob dadurch mehrsprachliche Ressourcen im Fachunterricht aktiviert werden. Im Sinne des Translanguaging-Ansatzes wurden die Schülerinnen und Schüler angeregt, innerhalb der Gruppenarbeitsphasen sprachliche Ressourcen in beiden Sprachen zu nutzen. Am Ende der Förderung wurden Gruppendiskussionen mit den Schülerinnen und Schülern und Lehrenden durchgeführt und ein Feedback zu den in der Studie verwendeten Materialien und dem Schreibförderkonzept eingeholt.
Ergebnisse
Für die Fächer Geschichte, Physik, Politik und Technik werden die Zusammenhänge zwischen den Skalen fachliche Textsortenkompetenz und fachsprachliche Textsortenkompetenz betrachtet. Für alle Fächer zeigen sich hohe, positive Korrelationen zwischen fachlichen und sprachlichen Leistungen in den von den Schülerinnen und Schülern produzierten Texten. Je besser die Schülerinnen und Schüler die für die Textsorten des Fachs notwendigen sprachlichen Mittel beim Beschreiben und Erklären verwenden, desto höher ist die fachliche Richtigkeit. Zudem zeigen sich mittlere bis hohe Korrelationen zwischen dem Fachwissen, der fachlichen und fachsprachlichen Textsortenfähigkeiten und den fächerübergreifenden Textsortenfähigkeiten. Es können folglich Zusammenhänge zwischen fachlichen, fachsprachlichen und bildungssprachlichen Fähigkeiten nachgewiesen werden. Der sozioökonomischen Status, die kognitiven Fähigkeiten und sprachbiographischen Daten beeinflussen die dargestellten Zusammenhänge nicht.
Die Auswertung der Gruppendiskussionen mit den deutsch- und türkischsprachigen Schülerinnen und Schülern zeigt, dass durch eine Koordinierung des Herkunftssprachenunterrichts mit dem Fachunterricht Transferleistungen vom Türkischen in den Fachunterricht und umgekehrt möglich sind und dass das Bewusstsein für die sprachlichen Erfordernisse von unterschiedlichen Textsorten erhöht wird. Beobachtungen zeigen, dass die deutsch- und türkischsprachigen Schülerinnen und Schüler nach der textsortenbasierten Schreibförderung im Deutschen als auch im Türkischen längere Texte schreiben und die sprachlichen Mittel, die für die jeweiligen Textsorten erforderlich sind, stärker berücksichtigen.
Die qualitativen Ergebnisse stützen die quantitativen Ergebnisse und deuten darauf hin, dass eine koordinierte, textsortenspezifische Schreibförderung im Fachunterricht und im HSU insgesamt erfolgversprechend sein kann.
Implikationen für die Praxis
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass sprachliches und fachliches Lernen als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden müssen. Um fachspezifische Textsorten zu erstellen, benötigen Schülerinnen und Schüler neben fachlichem vor allem fachsprachliches Textsortenwissen. Eine fachorientierte Sprachbildung erfordert also, dass Textsorten der Fächer auch im Fachunterricht explizit vermittelt werden müssen. Die Vermittlung und Aneignung von sprachlichen Mitteln und sprachlichen Handlungsmustern im Herkunftssprachenunterricht kann kognitive Denk- und Verstehensprozesse anbahnen, die als Ressource im Fachunterricht genutzt werden können. Eine koordinierte Förderung von sprachlichen Handlungsmustern und Textsortenwissen in der Herkunftssprache und im Deutschen sowie die systematische Vor-/ Nachbereitung im Herkunftssprachenunterricht in Abstimmung mit dem Fachunterricht könnte zugleich bei allen mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern die Hemmschwelle herabsetzen, ihre Herkunftssprache als Ressource im Fachunterricht zu erkennen und zu verwenden.
Publikationen aus dem Projekt
Roll, H., Bernhardt, M., Enzenbach, C., Fischer, H. E., Gürsoy, E., Krabbe, H., Lang, M., Manzel, S. & Uluçam-Wegmann, I. (Hrsg.) (2019). Schreiben im Fachunterricht der Sekundarstufe I unter Einbeziehung des Türkischen. Empirische Befunde aus den Fächern Geschichte, Physik, Technik, Politik, Deutsch und Türkisch. Reihe Mehrsprachigkeit, Bd. 48. Münster: Waxmann. (Siehe rechts).
Boubakri, C., Beese, M., Krabbe, H., Fischer, H.-E. & Roll, H. (2017). Wie sprachliche Strukturen in Versuchsprotokollen in der Physik fachliches Lernen und experimentelle Kompetenz unterstützen. In M. Becker-Mrotzek & H.-J. Roth (Hrsg.) Sprachliche Bildung – Grundlagen und Handlungsfelder (PDF). Münster: Waxmann, S. 335 – 350.
Manzel, S. & Nagel, F. (2017). „Links unten steht der Bundespräsident“ – Sprachliche und fachliche Herausforderungen politischer Schaubilder mit ersten Ergebnissen aus dem BMBF-Projekt SchriFT. In S. Manzel & C. Schelle (Hrsg.) Empirische Forschung zur Politischen Bildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 19 – 29.
Roll, H., Gürsoy, E. & Boubakri, C. (2016). Mehrsprachige Literalität fördern – ein Ansatz zur Koordinierung von Deutschunterricht und herkunftssprachlichem Türkischunterricht am Beispiel von Sachtexten. In Der Deutschunterricht, 6, S. 57 – 67.
Bernhardt, M. & Wickner, M.-C. (2015). Die narrative Kompetenz vom Kopf auf die Füße stellen – Sprachliche Bildung als Konzept der universitären Geschichtslehrerausbildung. In B. Claudia, F. Magnus & E. Gürsoy (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache in allen Fächern – Konzepte für Lehrerbildung und Unterricht. Beiträge zu Sprachbildung und Mehrsprachigkeit aus dem Modellprojekt ProDaZ. Stuttgart: Fillibach bei Klett, S. 281-296.
Lang, M. (2015). Förderung der fachspezifischen Schreibkompetenzen im Technikunterricht. In J. Menthe, D. Höttecke, T. Zabka, M. Hammann & M. Rothgangel (Hrsg.) Befähigung zu gesellschaftlicher Teilhabe. Beiträge der fachdidaktischen Forschung. Band 10. Münster: Waxmann-Verlag, S. 81 – 94.